Faktoren welche den Wandel von PS zu PU beeinfluss(t)en.

Mitte der 80er Jahre war Polysulfid mit großem Abstand der meistverkaufte Isolierglas-Dichtstoff weltweit. Weit über 90 % der jährlichen Dichtstoffmenge wurde mittels dieser alten Elastomeren-Chemie als äußere Randabdichtung in Form einer Hohlkehle mit Hilfe von 2-K-Versiegelungs-maschinen appliziert. Im Wesentlichen wurde der Markt von 4 Rohstofflieferanten für das Polysulfid-Polymer dominiert und über 3 führende europäische Dichtstoffhersteller in den Markt gebracht.

In dieser Zeit wurde vermehrt von manuellen Versiegelungsmaschinen auf semi-automatische Maschinen umgestellt. Hierbei wurde das Glas oft noch auf separat aufgestellten Maschinen geschnitten und dann manuell zur Waschmaschine gefahren, um dann im Nachgang zusammen mit dem am Rahmenbieger gebogenen Abstandhalter zum Isolierglas vereinigt zu werden. Die manuellen Versiegeler wurden so betrieben, dass man mehrere Isoliergläser gesammelt und diese dann in Serie mit Polysulfid versiegelt hat. Dafür waren Polysulfid-Dichtstoffe ideal, weil sie als gutmütiges 2-Komponenten System „gemütlich“ appliziert werden konnten, will sagen, eine lange Topfzeit hatten, was man rezeptiv durch chemische Verzögerer erreicht hatte. War dann eine schnelle Aushärtung gewünscht, konnte man diese auch entsprechend einstellen, so dass der Anwender wenig bis keine chemische Kenntnisse benötigte. Reinigung der Mischer war ebenfalls ein Kinderspiel, da sich die Mischer wenig zusetzten und eine lange Zykluszeit von bis zu 1 Jahr zuließen.

Mit Einsetzen der vollautomatischen Versiegelung Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre und entsprechender Fertigung von bis 800 IG-Einheiten pro Schicht, war die Misch-und Dosiergenauigkeit seitens der Maschinenhersteller noch lange nicht auf dem heutigen Niveau, so dass ein Dichtstoff benötigt wurde, der auch im Automatikbetrieb Misch- und Dosierfehler möglichst verzeiht hat. Auch das war Polysulfid, weil der sog. heterogene Härtungsmechanismus eine Über- bzw. Unterdosierung von mindestens +- 20 bis 25% zuließ – also ideal für Betriebe mit wenig chemischem bzw. machinellem Know-how.

Erste Erfahrungen mit Polyurethan als Alternative zum Polysulfid machten dann wagemutige Pioniere der Isolierglashersteller Ende der 80er Jahre. Die o.g. mangelnde Misch-und Dosiergenauigkeit der Versiegelungsmaschinen, sowie die kurze Topfzeit, verbunden mit der sehr schnellen Verunreinigung und Zusetzen der Mischaggregate, machte einen völlig anderen Umgang mit dem damals neuen Dichtstoff Polyurethan als Randverbundmaterial nötig. Dazu waren aber nicht viele IG-Hersteller bereit und schauten gespannt auf die Kollegen, die ihre entsprechenden, negativen Erfahrungen machten. So kam es, dass der Marktanteil in Europa von Polysulfid in Spitzenzeiten Mitte der 90er Jahre bei ca. 93% lag. Der Rest verteilte sich auf Silikon (und dort vorzugsweise in der Fassade), sowie auf Hotmelt und wenig Polyurethan. Weit und breit war keine echte chemische Alternative für Polysulfid in Sicht.

Wie kam es nun, dass Anfang der Jahrtausendwende eine dramatische Veränderung zu Ungunsten von Polysulfid hin zum Polyurethan einsetzte?

Ausgangspunkt war, dass einer der führenden Polysulfid-Polymerhersteller, nämlich die Fa. Morton in USA so empfindliche Umweltauflagen erhalten hat, dass sie ihre Herstellung, offiziellen Angaben zufolge, einstellen musste. Quasi über Nacht haben deren Abnehmer nicht mehr ausreichend Rohstoff bekommen und konnten den begehrten Polysulfid-Dichtstoff nicht mehr herstellen.

Parallel hatten die PU-Hersteller, allen voran IGK, ihre Rezepturen weiter verbessert. Allerdings  waren diese Rezepturen noch weit vom heutigen Niveau quecksilberfreier PUs entfernt. Dennoch war ein Versorgungsloch entstanden, das gefüllt werden musste. In dieser Zeit waren die IGK Techniker fast jedes Wochenende unterwegs und rüsteten die Maschinen in der produktionsfreien Zeit mit hohem Aufwand und Kosten um. Die kompletten Mischer, die Ventile, Pumpen und Zuleitungen mussten getauscht werden, damit keine chemischen Reaktionen in den Leitungen, die noch Polysulfid enthielten, stattfanden. Die Anlage der B-Komponente musste ganz ersetzt werden, da die Viskositäten der damals verfügbaren PU-B-(flüssig) und PS-B (viskos) andere Pump-und Mischaggregate bedingten.

Mit der zunehmenden Internationalisierung des IG-Geschäftes und verschärften Anforderungen u.a. in Form von Normen zeigte sich Polyurethan dem Polysulfid deutlich überlegen. Die Trendwende hin zum PU wurde maßgeblich durch die französische Norm unterstützt, dadurch bedingt, dass PU-Rezepturen die hohe Hürde der UV-Nass-Belastung im Klimawechseltest mit Bravour bestanden. Polysulfid-Rezepturen dagegen nehmen in vergleichenden Tests, Feuchtigkeit auf und vergrößern ihr Volumen um bis zu 20%. Folglich geht dann-insbesondere bei preisgünstigen Polyulfid-Rezepturen -die Haftung zum Glas verloren und ein entsprechender Prüfdurchfall kann die Folge sein.

Insofern war der französische Markt Anfang der 2000er Jahre der Taktgeber in Europa zur Trendwende mit einem Marktanteil von deutlich > 90% pro PU. On top kam, dass man die PU-Rezepturen billiger als mit Polysulfid herstellen und somit noch einen Preisvorteil bei besserer Qualität einstreichen kann. Die auf Vollgas, 3-schichtig laufenden Maschinen der französischen IG-Hersteller, erkannten dann immer noch Vorteile beim PU, trotz der damals noch deutlich häufigeren Notwendigkeit zur Reinigung der Mischer.

In den Folgejahren entwickelte sich bis ca. zum Jahre 2006 in Europa ein relativ ausgeglichenes Verhältnis zwischen PU und PS als Sekundär-Randverbund-Dichtstoff. Mit dem gestiegenen Wettbewerbsdruck aus Osteuropa, u.a. aufgrund von Neuinvestitionen in Polen, wurde die Herstellung von Isolierglas immer günstiger und jeder IG-Hersteller war gezwungen, aufgrund der offenen Grenzen, jede Kosteneinsparung für sich in Anspruch zu nehmen. Wie bereits oben erwähnt, ist PU hier der klare Sieger u.a. auch weil ein besseres Preis-/Leistungsverhältnis gegeben ist.

Nach der Weltwirtschaftskrise der Jahre 2008-2010 setzte IGK neue Standards mit seinem Hg-freien Polyurethan, das lange vor entsprechenden europäischer Verordnungen und Auflagen am Markt war. Die Hg-freie Version des IGK 130 machte Umstellungen von PS auf PU zum Kinderspiel, da das nicht mehr vorhandene Hg als Katalysator, nicht mehr vom restlichen Polysulfid in der Anlage vergiftet werden konnte. Somit war die Aushärtung vom PU durch noch in den Spülleitungen vorhandenes Polysulfid der Versiegelungsmaschinen nicht mehr verhindert. Damit war es möglich, die Anlagen nur noch grob vom Polysulfid zu reinigen und mit Hilfe der damals neu entwickelten, pastösen B-Komponente des IGK 130 zu spülen, nachfolgend das korrekte Mischungsverhältnis einzustellen und ohne weitere Änderung quasi nahtlos weiter zu produzieren. In vielen Fällen konnte diese Umstellung von Kunden alleine, ohne Unterstützung der Maschinenhersteller, allenfalls mit technischer Unterstützung und Anleitung von IGK, kostenneutral durchgeführt werden.

Ein weiterer Schritt zum Siegeszug des Polyurethans war dabei die Weiterentwicklung der IGK 130-Rezeptur, die mit Ihrer langen Topfzeit für sehr lange Standzeiten zwischen den Reinigungsprozessen der Mischer sorgte und gleichzeitig eine sehr schnelle Aushärtung gewährleistete. Mit diesem Eigenschaftsprofil wurde dann die die frühere PS-Technologie endgültig ins Abseits gedrängt.

Dass man nach wie vor mit beiden Technologien Isolierglas nach neuesten Normen und Anforderungen herstellen kann, gilt auch weiterhin – aber das Preis-/Leistungs-Pendel hängt hierbei klar auf der Seite von Polyurethan.

Dr. Randolf Karrer

Veröffentlicht in IGK Global.

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